Mit einem staatlichen Innovationsfonds international anschlussfähig bleiben

Schweizer Startups drohen international den Anschluss zu verlieren. Wie für Forscher bricht auch für junge Wachstumsunternehmen die Förderung aus dem EU-Programm Horizon Europe weg. Ein Innovationsfonds böte Abhilfe

 

Der Blick ins Ausland ist ernüchternd. War die Schweiz lange Zeit ein weltweit führender Innovationsmotor, laufen ihr andere kleine Länder zurzeit den Rang ab. Ein alarmierender Frühindikator ist der Anteil der Risikokapitalinvestitionen am BIP. Zurzeit liegt er in Israel und Schweden fünfmal so hoch wie in der Schweiz. Schweizer Startups erhalten dagegen mehr Finanzkapital von amerikanischen Investoren als von heimischen Kapitalgebern. In den skandinavischen Ländern und den Niederlanden ist dies umgekehrt.

 

Kein Grund zur Besorgnis, der Markt wird es richten? Vielleicht. Aber auch nur dann, wenn junge Schweizer Technologiefirmen nicht für das Wachstum abwandern und die eigentliche Wertschöpfung dauerhaft im Ausland stattfindet. Die Anzahl an Unicorns (schnell wachsende Technologieunternehmen mit einer Bewertung über 1 Milliarde US-Dollar) in einem Land ist hierfür massgebend. Adjustiert nach der Zahl der Erwerbstätigen liegt Israel weit vorne, darauf folgen Singapur und die USA. Die Schweiz rangiert nur im Mittelfeld und verliert viele ihrer «Einhörner» an das Ausland. Die EU lanciert mit European Tech Champions eine gesamteuropäische Scale-up-Initiative über 10 Milliarden Euro. Mehr als ein Call-to-Action für die Schweiz.

 

Ein wachsendes Habitat für Einhörner

 

Im Vereinigten Königreich ist die Abwanderungsrate geringer, obwohl Startups nach dem Brexit nicht mehr vom europäischen Binnenmarkt und von voluminösen EU-Förderprogrammen profitieren. Die britische Regierung hat mit dem «Future Fund Breakthrough» einen staatlichen Wachstumsfonds geschaffen, der gemeinsam mit privaten Investoren direkt in das Eigenkapital von Startups investiert. Um dem Argument gegen staatliche Eingriffe in den Markt zu begegnen, wird ein Crowding-in privaten Kapitals angestrebt: Der Staat leistet eine Anschubfinanzierung, private Investoren tragen so den überwiegenden Teil des unternehmerischen Risikos, abgefedert durch einen Minderheitsanteil des Staates. Der Fokus wird auf die Zukunftstechnologien Quantum Computing, grüne Technologie und Deep Tech in den Life-Sciences gelegt. Voraussetzung ist ein Unternehmenssitz und ein signifikanter Anteil der Unternehmensaktivitäten im Inland.

 

Mit dem anstehenden Entscheid des Bundesrates für oder gegen einen staatlichen Innovationsfonds steht das Schweizer Innovationsmodell auf dem Prüfstand. Um der Diskussion überbordender Paternalismus contra freie Marktwirtschaft die Schärfe zu nehmen, kann ein pragmatisches Partnerschaftsmodell privaten und öffentlichen Engagements wie in Grossbritannien als Orientierung dienen.

 

Um den Marktkräften die Führung zu überlassen, sollte der Staat nur Anschubhilfe leisten. Will man die «unicorn nation number one» werden, wie von einigen Bundesparlamentariern zurzeit proklamiert, dann könnte sich die Metropolregion Basel zu einem Gebiet entwickeln, in das Gründertalente im Bio-Tech aus der ganzen Welt ziehen, der Arc Lémanique das Foodtech-Mekka für Scale-ups werden und die Grossregion Zürich-Zug der «place to be» für Weltmarktführer in der Blockchain-Technologie sein.

 

Staatlicher Zustupf mit großer Wirkung

 

Ländern wie den Niederlanden, Deutschland und Belgien gelingt mit indirekten Investitionen der Einbezug institutioneller privater Investoren wie Banken, Versicherungen und Pensionskassen, die bis anhin nicht optimal für Investitionen in den Risikokapitalmarkt aufgestellt sind. Statt des Crowding-out von privatem Kapital ein weiteres Argument für das Crowding-in von Vermögen, das in der Schweiz in grossem Umfang vorhanden ist. Pensionskassen dürfen seit 1. Januar 2022 in Startups investieren. Die Anlage in ein Startup-Portfolio ist nicht nur aus eigenem Anlageinteresse sinnvoll, sondern auch für die Zukunft des Schweizer Innovationsstandorts wünschenswert.

 

Wir brauchen eine undogmatische Diskussion: Können wir weiter die besten Forscher an unsere Hochschulen binden und die ambitioniertesten unternehmerischen Talente im Land halten, wenn unsere Nachbarn in Europa Ökosysteme für Startups und Scale-ups aufbauen, die mehr Entwicklungschancen bieten? Den zu kleinen Heimatmarkt für hiesiges Wachstum werden wir nicht verändern, aber die klügsten Köpfe können im Land gehalten werden. Mit ihren Spin-offs können sie grösstenteils auch digital expandieren. Die baltischen Staaten machen es vor.

 

Damit wandert zwar Wertschöpfung ins Ausland ab, aber Schweizer Investoren partizipieren daran und spülen das Kapital in den Standort Schweiz zurück. Ausländisches Kapital ist weiter willkommen und kommt verstärkt, wenn Inländer an die eigenen Unternehmen glauben. So entwickeln sich um erfolgreiche Seriengründer Clan-Strukturen in regionalen Startup-Ökosystemen, die die nächste Gründergeneration mit einem «growth mindset» ausstatten und auf den Wachstumspfad schicken. Unternehmerinnen und Unternehmer sind frei fliegende Vögel, die sich schnell ein neues Nest in unternehmensfreundlicheren Gefilden über Landesgrenzen hinweg suchen.

 

Ditmar Grichnik ist Professor für Entrepreneurship und Direktor am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen. Er leitete die internationale Vergleichsstudie des Seco für einen Schweizer Innovationsfonds; Petra Gössi ist Juristin und Nationalrätin, von 2016 bis 2021 war sie Präsidentin der FDP. Die Liberalen Schweiz.

 

Quelle: Artikel

Foto: Anthony Anex / Keystone

NZZ Artikel